Skulpturen

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Es reizte Günter die Realität möglichst genau dreidimensional wiederzugeben. Im Laufe der Zeit waren es jedoch die Formenverläufe selbst, die ihn fesselten und deren Schönheit er herausarbeiten wollte. Günter liebte es, mit seinen Händen zu formen und die Figuren langsam entstehen zu lassen. Experimentell abgenommene Gipsabdrücke von Körpern, die er nachbearbeitete und kolorierte, reichten ihm sehr bald nicht mehr aus. Das Modellieren mit Ton wurde sein ureigenes Medium. Durch Besuche von Kursen in Lörrach und seit 2012 in Basel an der Schule für Gestaltung fand er fachkompetente Anleitung und anregenden Austausch mit Gleichgesinnten. Vorwiegend arbeitete Günter nach lebenden Modellen. Entsprechende Positionen sind in seinen Skulpturen wiederzufinden: Sitzende, Hockende, Liegende, selten Stehende, denn so eine Position ist für das Modell über einen längeren Zeitraum schwer zu halten.

 

Doch die aufrechte Haltung, der freistehende Körper und vor allem der Moment der Bewegung reizten ihn. Immer wieder suchte er nach neuen Positionen und Möglichkeiten. Durch Fotografien rund um den Körper fing er extreme Stellungen ein, die nur für kurze Zeit gehalten werden konnten. Bewegungsabläufe, drastische Körperhaltungen auch aus den Bereichen Tanz und Sport konnten auf diese Art und Weise gebannt werden. Diese Fotovorlagen setzte er in Skulpturen um. Dabei waren nicht nur gute Beobachtungsgabe und anatomische Kenntnisse von Nöten, sondern auch handwerkliches Geschick und sehr viel Geduld. Denn nicht selten fiel beim Tonmodell im feuchten Zustand beispielsweise ein abstehendes Bein wieder in sich zusammen und Günter musste noch einmal von vorne beginnen. Ebenso beim Brennen von extremen Statuen konnte es passieren, dass Teile abplatzten und einen totalen Neustart seinerseits erforderten.

 

Markante Figuren reiften heran, wenn Günter sich entschlossen hatte, die Oberflächen nicht völlig glatt zu schleifen, sondern einem groben Formenverlauf Raum zu geben. So entstanden kubistisch und auch expressionistisch anmutende Figuren, deren fantastische Wirkung er mit entsprechender Farbgebung – sei es durch Glasieren bei einem weiteren Brennvorgang oder durch Kolorieren – abermals verstärkte.

 

Das Fantasievolle, Spielerische nimmt in seinen Werken einen großen Platz ein. Günter formte Füße mit mehrfachen Funktionen: Als Behausung, als Wanderschuhe oder als Symbol für den Götterboten Hermes. Manche seiner Skulpturen scheinen Märchen- und Sagenbüchern entschlüpft zu sein: Baumelfen, Feen, Meerwesen, Krieger, Hexen.

 

Günter zeigt die Prachtentfaltung von Körpern in mannigfachen Varianten, Schönheit, die nicht an Alter oder Geschlecht geknüpft ist. Schönheit ist für ihn nicht die glatte makellose Oberfläche. Schönheit und Fluidum sah er überall, wo Formen Spannung erzeugen. Mit seinen Händen bannte Günter diesen Zauber in Ton oder Stein. Und so beginnen seine Skulpturen zu leben, wenn man sich auf sie einlässt. 

Marga Golz, Lörrach 2023 

Liegende, Marmor 36 x 20 x 18, 2006
Liegende, Marmor 36 x 20 x 18, 2006